Gestern bin ich gegen 14 Uhr in Tanah Rata im Landesinneren von Malaysia angekommen. Es hat ordentlich geschüttet. Allerdings hört es hier nicht nach einer halben Stunde wieder auf, sondern im Prinzip gilt die Regel: Wenn es einmal anfängt, regnet es bis zum Abend durch. In aller Regel fängt es aber immerhin erst am frühen Nachmittag an zu regnen. Wir nähern uns hier der Monsoon-Zeit. Es wird also in nächster Zeit nicht besser.
Am Busbahnhof (heißt hier: Busse halten auf der Straße an und laden die Passagiere aus) bin ich zur angrenzenden Reiseagentur gegangen, um zu erfragen, wo man ein Taxi her bekommt. Auf den Straßen hatte ich keine gesehen. Freundlicherweise haben die gleich Kontakt zu meinem Gästehaus (Gerard’s Place) aufgenommen. Es sollte jemand kommen, um mich abzuholen. Nach ein paar Minuten wurde der freundliche junge Mann von der Agentur schon unruhig und hat mich einfach in einem anderen Auto mitgeschickt. Dieses sollte zu Father’s Guesthouse fahren und dann weiter zu Gerard’s Place (die beiden Häuser gehören dem gleichen Inhaber).
Die Fahrt war aber nur kurz. Ich saß hinten auf einer Seitenbank im Land Rover und konnte nicht viel sehen, außer einer großen braunen Brühe aus dem Augenwinkel, in die wir dann auch schon hineinfuhren. Nicht weiter ungewöhnlich, da ein Land Rover sowas wohl auch aushalten kann. Allerdings kann ein Land Rover nicht schwimmen. Der Fahrer war doch etwas optimistisch und hat die Tiefe der „Pfütze“ unterschätzt. Nach ein paar Sekunden lief plötzlich Wasser ins Auto, also habe ich meine Rucksäcke erstmal auf die Sitzbank gehoben. Dann hat’s ein wenig Rauch und Gestank gegeben (Motor dahin) und ein paar Sekunden weiter stand auch schon die Sitzbank unter Wasser. Für einen Moment war ich mir etwas unsicher, wie hoch das Wasser wohl noch steigen könnte, als es dann auch schon aufhörte. Wir (noch zwei Amerikaner) waren alle etwas perplex und sicherten unsere Sachen, während der Fahrer schon ausgestiegen war und im Wasser herumwatete.
In diesem Moment erinnerte ich mich, dass ich ja einen Blog zu schreiben habe und habe das iPhone aus dem Rucksack gefummelt (zum Glück war es ausnahmsweise mal nicht in meiner Hosentasche – ich saß ja im Wasser), um ein paar Fotos und Videos zu machen, immerhin säuft man nicht so oft mit einem Auto ab. Dann haben wir zunächst die Rucksäcke durch’s Fenster gereicht und auf’s Dach gelegt, um dann nach und nach auszusteigen. Als ich als Letzter heraus kam, war mein großer Rucksack schon am „Ufer“. So musste ich nur noch von der Motorhaube herunter ins Wasser steigen und meinen kleinen Rucksack in Kopfhöhe navigieren, während ich durch das bauchnabeltiefe Wasser lief.
Glücklicherweise liegt das Father’s Guesthouse gleich unmittelbar hinter diesem Wasserloch. So gab es zumindest eine Anlaufstelle. Erstmal kurz – gleich noch mehr zum Service: Ich bin dann dort eingecheckt, da nicht absehbar war, wann wir weiter konnten, denn um zu Gerard’s Place zu kommen, war ich jetzt auf der falschen Seite des Wasserlochs. Danach habe ich warm geduscht, mich umgezogen und ein bisschen beobachtet, wie sie versucht haben, das Auto mit einem LKW herauszuziehen. Irgendwann hat es geklappt. Der Land Rover steht auch heute noch so da wie sie ihn abgestellt haben. Später kam die Feuerwehr und hat begonnen, das Wasser abzupumpen.
Am frühen Abend bin ich mit einigen anderen noch mal aufgebrochen, um in die Stadt zu gehen. Auf unserer Seite des Wassers gab’s nichts zu essen. Der Inhaber des Gästehauses kam auch mit. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch einen kleinen Weg auf einem angrenzenden Grundstück. Als wir durch waren, hat der Besitzer den Weg allerdings verbarrikadiert. Offiziell wohl, weil er Sorge hat, dass sich Leute verletzen (der Weg war sehr glatt und direkt an einem Hang) und ihn dann belangen. Keine Ahnung. Sein Haus war so gelegen, dass man sogar durch das Haus gehen konnte, um auf die andere Seite des Wassers zu gelangen. Genau genommen war das danach auch der einzige Weg. Da hätte er ein kleines Geschäft draus machen können. Stattdessen hat er nur zugeschaut und niemanden mehr auf’s Grundstück gelassen.
Später zog sich der Abend ganz schön in die Länge, da wir nicht mehr zurück zum Gästehaus kamen, aber immer noch Hoffnung hatten, dass die Feuerwehr irgendwann fertig sein würde. War sie aber nicht. Das Wasserloch ist auch heute noch da (wenn auch schon wesentlich kleiner). Bis nach 23 Uhr habe ich mit ein paar Reisendem und dem Inhaber der Herberge in der Stadt gesessen und gegessen und getrunken, bis der Laden alle rausgeschmissen hat.
Zurück am Wasserloch haben wir uns einen Weg am Rande des Grundstücks des mürrischen Besitzers gebahnt, am Hang entlang, durch eine Mischung aus Natur und Müll ;-)
Das ging aber auch nur mit gemeinsamer Anstrengung, Menschenkette und einigen Smartphones mit Taschenlampe-App.
Heute morgen hat dann mal jemand weiter unten am Hang eine Menge Pflanzen umgesäbelt, so dass man auf einem schmalen Pfad entlangbalancieren kann. Immerhin kommt man also hin und her. Allerdings wird der Weg immer weiter ausgelatscht und ist schon extrem schlammig und rutschig. Alles noch nicht ideal, aber geht erstmal. Die Feuerwehr war vorhin auch wieder da und hat weiter gepumpt. Möglicherweise sehe ich ja in den nächsten beiden Tagen noch, wie die Straße eigentlich aussehen sollte.
Passiert das dort öfter? Eigentlich nicht, aber in den letzten Wochen war es wohl das dritte Mal, auch wenn noch kein Auto abgesoffen ist. Auslöser ist eine nahegelegene Baustelle, die das Wasserabflussverhalten stark beeinflusst oder die Abflüsse verstopft.
Naja, letztendlich war es trotzdem ein sehr schöner Tag, weil ungewöhnlich und ein klein wenig abenteuerlich. Zudem war es so noch leichter, eine Menge Leute kennenzulernen, da alle die gleichen Probleme hatten (die meisten waren allerdings nicht im Wasser ;-) ).
Jetzt noch etwas zum Service des Gästehauses. Ich weiß gar nicht wie ich das beschreiben soll. Alle waren sehr freundlich. Der Inhaber hat es mit Humor genommen und ja auch noch bis zum späten Abend mit uns in der Stadt gesessen. Die angestellte Rezeptionistin war auch freundlich und hat mir Kaffee und Tee angeboten, als ich aus dem Wasser kam.
Aber: Es kam niemandem in den Sinn, mal irgendwem zu helfen oder sich Lösungen zu überlegen. Ich kam ja in dem Gästehaus an, ohne dorthin zu wollen (es war aber wie gesagt eine Art Schwester-Gästehaus). Es hat dort niemand Anstalten gemacht, sich zu überlegen, wie ich nun zu Gerard’s Place kommen könnte oder mich einfach im Father’s Guesthouse einzuchecken. Ich sollte erstmal Tee trinken und abwarten. Nach einer Weile habe ich mich gefragt, worauf ich überhaupt warte. Im nächsten Gespräch habe ich dann festgestellt, dass Gerard’s Place auf der anderen Seite liegt und angemerkt, dass ja unklar ist, ob man da heute überhaupt noch durchkommt. Antwort: „Ich hoffe doch, ich will ja irgendwann nach Hause“. Dann habe ich mal angeregt, ob ich nicht in Father’s Guesthouse einchecken kann, da es ja quasi das gleiche Unternehmen ist. Das ging dann auch, weil ein Zimmer frei war. Hier zahle ich das gleiche, aber anders als im gebuchten Gerard’s Place kein Frühstück inklusive. Hätte ich nicht gefragt, hätte ich wahrscheinlich stundenlang in der Lobby auf etwas gewartet, das nie gekommen wäre.
Auch später hat sich niemand überlegt, wie die Gäste in die Stadt kommen können (auf der anderen Seite gibt’s nichts zum Essen) und wie sie wieder zurück kommen. Dazu muss ich noch sagen, dass ich zwar zusammen mit einer Gruppe inkl. Inhaber zurückgekommen bin: Aber es gab ja noch mehr Gäste, die irgendwo anders in der Stadt warteten und es erst noch später versuchten. Ich habe gehört, dass es zu dem Zeitpunkt stockfinster war (keine Feuerwehr mehr da) und absolut kein Weg. Irgendwie haben sie die Polizei gerufen und sich mit deren Hilfe einen Weg durch das verbarrikadierte Grundstück gebahnt. Der Gästehausinhaber hat zu diesem Zeitpunkt sicherlich schon gut geschlafen. Es hat sich einfach niemand eine Platte gemacht. Bei all dem noch mal zur Erinnerung: Alle jederzeit freundlich und immer ansprechbar. Father’s Guesthouse ist in Tanah Rata auch das Gästehaus für Backpacker, also nicht irgendeine Absteige.
Ich kann nicht mal sagen, dass ich das besonders ärgerlich finde. Ich finde das faszinierend, wie man so unbeteiligt daneben stehen kann. Das ist ja auch keine böse Absicht, sondern wohl ihre Mentalität. Wenn sich in Deutschland (geschweige denn USA) ein Unternehmen diesen Service erlaubt, gibt’s erboste Gäste, die bei nächster Gelegenheit auschecken, garantiert nicht bezahlen und im Internet gibt’s im Anschluss noch einen Shitstorm.
Hier ist es irgendwie Alltag, dass Autos in Riesenpfützen stecken bleiben und die Gäste an Land „schwimmen“ müssen oder man sich durch nicht vorhandene Wege kämpft, nachdem man vorher stundenlang in einer Bar gewartet hat. Nichts besonderes. Business as usual. Diese Lässigkeit ist erstaunlich. Die anderen Gäste schwankten auch stark zwischen Ärger/Fassungslosigkeit und, dieses Erlebnis als kleines Abenteuer zu sehen.
Vielleicht lässt sich das auch auf Malaysia im Allgemeinen übertragen. Ich kann nicht behaupten, hier besonders guten Service zu genießen. Im Restaurant fragt nie jemand nach, ob man noch etwas möchte. Heute kam ich um 8:57 Uhr für meine 9:00 Uhr Tour an. Das Fahrzeug war schon weg! Der Agenturmitarbeiter meinte: „It’s your fault, but no problem.“ Er hat das Auto dann zurückgerufen, immerhin (war auch sehr freundlich). Man stelle sich mal vor, dass einem in Deutschland ein Servicemitarbeiter sagt: „Ist doch Ihre Schuld“. Auf seiner Uhr war es tatsächlich schon 9:06 Uhr, er konnte sich also im Recht fühlen. Später habe ich aber meine Uhr mit der des Tourguides abgeglichen und meine war identisch mit seiner. Also würde ich eher sagen, das Auto ist zu früh losgefahren und das obwohl ein gebuchter Gast noch nicht da war. Only in Malaysia ;-)
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Die Frage ist dann: Was ist denn „normal“? Die deutsche Mentalität und andere Kulturen verstehen es nur einfach nicht, was „richtiger“ Service nicht? Oder ist es nicht gerade umgekehrt und wir Deutschen bzw. europäisch Geprägten sind die Einzigen, denen solche „Missstände“ überhaupt auffallen? ;)
Für uns ist es halt normal, wenn sich ein Dienstleister um unser Wohl bemüht (aus wirtschaftlichen Gründen), in Malaysia nicht so sehr. Aber wenn Du mich fragst, wollen die Kunden früher oder später auch was wir in der westlichen Welt haben, denn der Mensch will „Convenience“ ;-)
Ich lese ja viele Tripadvisor-Bewertungen und oft kommen die schlechtesten Bewertungen von Reisenden aus Entwicklungsländern. Die können sich ordentlich aufregen, wenn sie z.B. für $50 in einem US-Motel nicht wie ein König hofiert werden ;-)
Hallo Patrick, wir kommen auch gerade aus Malaysia zurück. Unsere Erfahrungen mit dem Service und der Hilfsbereitschaft deckt sich mit Deiner Erfahrung. Und das hat meiner Meinung nach nichts mit dem zu tun was wir aus Deutschland kennen. In 4 Wochen Vietnam habe ich dies kein einziges Mal erlebt. ich brauche auch niemanden, der mich hinten und vorne bedient, aber etwas mehr Bemühungen wären schon sehr hilfreich. Leider haben wir auch die Erfahrung gemacht, dass man nicht das bekommt für das man bezahlt hat (Unterkünfte). Auch hier: in anderen Ländern ist man der sehr viel weiter und: ich erwarte keinen Luxus – aber sauber sollte es sein.Aber Malaysia ist auch ein sehr spannendes land, vorallem wegen der versch. Kulturen.