(Und noch ein langer Artikel von einer langen Busfahrt)
Seit meiner Entscheidung, Projecter zu verlassen (das liegt schon sechs Monate zurück – wow), habe ich für eine Weile mal keine Selbstverbesserungsbücher gelesen. Ich wollte den Kopf frei bekommen, die Reise auf mich zukommen lassen und dann weitersehen.
Lediglich das Buch „4 Hour Body“ von Tim Ferris habe ich kurz vor der Abreise gelesen und dabei sogar einiges gelernt, an das ich auch glaube. Auch wenn viele Tipps auf so einer Reise schlecht umzusetzen sind, habe ich meine Ernährung meines Erachtens besser im Griff. In den USA lief es sogar wesentlich besser als es in Asien möglich ist.
Jedenfalls hat das Buch geholfen, Tim Ferris nicht einfach nur als Scharlatan anzusehen, der der einzige ist, der von seinen Büchern profitiert und mir nun auch „4 Hour Work Week“ durchgelesen. Wer das Buch gelesen hat, dem muss ich nicht erzählen, dass das Buch für mich in eine passende Zeit fällt. Vor 1-2 Jahren hätte ich seine Ideen vermutlich für sehr unrealistisch gehalten. Heute ist das etwas anders. Ich stimme vielen seiner Ansichten zwar nicht zu, einiges ist aber auch interessant und überlegenswert. Und so ist es ja mit den meisten Selbstverbesserungsbüchern: Es macht wenig Sinn, blind alles zu übernehmen, aber sie regen zum Nachdenken an.
Tim Ferris hat sich für sein Buch ein Akronym ausgedacht: DEAL. Damit meint er:
- Definition: Definiere, was Du im Leben eigentlich willst
- Elimination: Eliminiere, was unproduktiv ist und Deine Zeit frisst
- Automation: Erschaffe Dir ein Einkommen, das weitgehend auf Autopilot läuft (das bezieht sich nicht nur auf Selbständige, ist für diese aber wesentlich leichter umzusetzen)
- Liberation: Befreie Dich aus dem Alltag (v.a. Büro), um zu machen was Du willst
Nun ist das Leben ja kein Sachbuch und verläuft nicht immer gut planbar. Trotzdem erkenne ich mein letztes halbes Jahr teilweise wieder. Ich hatte zwar nicht fertig definiert, was ich im Leben tun will, aber ich habe eingesehen, was ich nicht will. Das, was ich nicht mehr wollte, weil es mich frustriert hat, habe ich eliminiert. Parallel zu dieser Entscheidung habe ich erstmals seit Jahren wieder an einem automatisierten Einkommen gearbeitet. Im Anschluss habe ich mich zunächst mal aus dem Alltag befreit und bin auf Reisen gegangen.
Für jetzt ist das erstmal eine gute Lösung. Natürlich will ich nicht ewig reisen und mir einreden, dass ich dadurch befreit wäre. Irgendwann wird auch das Reisen zum Alltag, der sich ständig wiederholt, nur an anderen Orten. Auch von Auswandern halte ich nichts. Das hat glaube ich den wenigsten Menschen bisher nachhaltig geholfen. Der Alltag lauert überall :-)
Und so ist es auch nicht mein Ziel, die Arbeit abzuschaffen oder auf vier Stunden pro Woche zu beschränken. Ich denke auch Tim Ferris macht das nicht, sondern ich verstehe ihn so, dass er in den vier Stunden das macht, auf was er eigentlich wenig Lust hat, das sich aber trotz größter Bemühungen nicht weiter auslagern lässt.
Genauso halte ich aber mittlerweile oder momentan die „Rentenidee“ für höchst unrealistisch. Damit meine ich, den „Plan“, in einer beschränkten Zeit von 5, 10 oder auch 20 Jahren so viel Geld zu verdienen, dass man danach allen seinen Träumen nachgehen kann. Die Idee hat viele Tücken:
- Das Leben ist nicht planbar. Wer weiß, ob man das Geld jemals zusammenbekommt?
- Was ist schon genug Geld? Niemand hat genug Geld. Kann man überhaupt aufhören?
- Ich würde wahrscheinlich viel mehr Geld ansammeln wollen, als ich letztendlich sinnvoll ausgeben könnte (nur zur Sicherheit)
- Habe ich mit 40 oder 50 Jahren überhaupt noch Lust und Energie, Träume zu verwirklichen?
- Aber vor allem: Welche Träume sollen das denn sein? Was soll ich denn plötzlich mit 24/7 Freizeit? Das hält ja kein Mensch aus.
Viel zu arbeiten und auf „später“ zu hoffen ist also nicht ideal und gar nicht zu arbeiten, taugt auch nichts. Was denn nun? Tim Ferris nennt es „Mini-Retirements“, also kurze Renten. Auch wenn ich es wohl nicht so genannt hätte (aber ich will ja auch kein Buch verkaufen), ähnelt das einem Gedanken, den ich in den letzten Wochen hatte: Muss denn das Reisen irgendwann enden? Ja, es muss. Schon, weil es irgendwann nerven wird. Von allem Guten kann es auch zu viel geben. Geichzeitig ist es aber auch kein schöner Gedanke, dass diese Reise einmalig sein könnte. Immerhin haben schon vor meiner Abreise viele gesagt: „Ja, mach das. Das ist eine einmalige Gelegenheit“, „Das macht man nur einmal im Leben“, „Wer weiß, ob es später mal was wird“.
Mini-Retirements können eine gute Lösung sein: Einfach 1-3 mal pro Jahr für 1-3 Monate verreisen. Es muss ja nicht mal „reisen“ sein, sondern kann auch heißen, dass man mal zwei Monate in Buenos Aires lebt und dort einen Spanisch-Kurs belegt oder in San Francisco und sich wie ein Hipster fühlt. „Boah, das wird teuer“ höre ich schon viele sagen. Dabei sind die Reisekosten in aller Regel nicht das Problem. Das Problem ist immer die Einnahmeseite – es sei denn man hat diese automatisiert.
Ich kann mir das derzeit gut vorstellen. Ob es jemals dazu kommt, werden wir sehen, aber es ist eine schöne Idee. Mir macht auch jetzt die Kombination aus arbeiten und reisen Spaß. Ich will gar nicht ein halbes Jahr lang „Urlaub“ machen. Da wird auch mir langweilig. An manchen Tagen habe ich richtig Lust, mal ein paar Stunden ranzuklotzen. Das muss nicht das Affiliate Business sein, aber momentan ist es das eben. Doch selbst das macht mir Spaß, solange wir ambitioniert vorgehen und ich glaube das ist ein Schlüssel für selbständiges Arbeiten und vermutlich für jede Form von Arbeit: Wenn ich nur verwalte, habe ich keine Lust, egal wie profitabel das Geschäft ist. Wenn ich allerdings ambitionierte Pläne habe und diese angehe, kann ich mich dafür jeden Tag begeistern.
Bei jedem Arbeitsschritt und/oder Projekt versuche ich zu überlegen, ob uns diese Aufgabe wirklich voranbringt und sich rechnen wird. Die zweite Überlegung ist (durchaus befeuert durch 4 Hour Work Week), ob wir den Arbeitsschritt nicht auslagern können. Bei vielen Arbeitsschritten geht das tatsächlich (mehr als man denkt). Wenn sich für ein Projekt das Outsourcing nicht lohnt, weil ich es selbst billiger machen könnte (das geht immer), lohnt sich eben das ganze Projekt nicht, dann muss eine neue Idee her. Das ist die Automatisierung, von der Tim Ferris spricht – und die Lösung des Einnahmenproblems.
Wir werden sehen wohin das alles führt. Nur weil ich es heute denke, muss es nicht genau so kommen. Vor einem Jahr hätte ich andere Antworten gegeben. Aber es ist gut zu wissen, dass es für alles Lösungen gibt: Ob man nun arbeiten, reisen, lernen oder seine Zeit vertrödeln will.
Treffende Kritik zum Buch!
Das DEAL-Konzept muss dabei nicht mal immer das über dem kompletten Leben stehende Gesamtkonzept sein, sondern lässt sich im Prinzip auch in kleineren Bereichen, bei aktuellen Projekten oder Aufgaben anwenden, in die man gerade seine wertvolle persönliche Zeit steckt. Quasi eine Art Selbstmanagement-Methode, nur nicht mit dem Ziel „Noch mehr schaffen“ sondern „Sich selbst dabei am wohlsten fühlen“. Finde ich gut!