Die Überquerung des Tongariro Vulkans (Tongariro Crossing) ist eine der beliebtesten Tageswanderungen in Neuseeland. Jeden Morgen nehmen hunderte Wanderer diese alpine Strecke auf sich. Der etwa 20 km lange Track führt quer durch eine beeindruckende Vulkanlandschaft, vorbei an türkisblauen Seen und beschert einen herrlichen Ausblick.
Leider ist die Hälfte der Strecke derzeit wegen vulkanischer Aktivitäten gesperrt, so dass man nach etwa neun Kilometern umkehren muss. Und trotzdem ist das Tongariro Crossing die Anstrengung wert.
Verregnete Vorfreude
Meine Basis für die Wanderung war das kleine Dorf National Park Village (dort übernachtete ich in der gemütlichen Plateau Lodge). Es liegt nur 25 Autominuten vom Start des Tracks entfernt. Jeder, der sich hierher verirrt, möchte die Tongariro Überquerung hinter sich bringen und fährt am nächsten Tag weiter. Das Wetter hat mich jedoch gezwungen, länger zu bleiben und das hat sich als Glücksfall erwiesen.
Die Gegend ist unglaublich schön, auch im Regen. Es gibt mehrere kleine Dörfer, ein paar nette Cafés, gute Wanderstrecken mit einigen Wasserfällen. Und vor allem gibt es gemütliche Unterkünfte mit Lodge-Charakter und Zimmern, die so ruhig sind, dass ich so gut schlief wie lange nicht.
Bei meiner Ankunft hat es geregnet und das sollte sich in den nächsten beiden Tagen kaum ändern. Doch gerade im Regen versprüht die Gegend eine wunderbare Atmosphäre von Ruhe und Gemütlichkeit. Bei Nebel und leichtem Regen habe ich mir ein paar Nachbardörfer angeschaut, bin ein bisschen gewandert und habe es mir gut gehen lassen.
Einige Gäste in meiner Lodge wurden schnell unruhig und sind nach einer Nacht wieder abgereist, da sie keine Ruhe fanden. Daher mein Aufruf, sich mal zu entspannen.
Bei denen, die blieben, wuchs die Vorfreude auf das Crossing und wir wussten das Erlebnis noch mehr zu schätzen. Am dritten Tag hat Mutter Natur uns endlich auf den Vulkan gelassen.
Die Tongariro Überquerung
Ich stehe um 5:15 Uhr auf und fahre 15 Minuten später los, um einen der wenigen Parkplätze zu bekommen. Leider verpasse ich die unscheinbare Abzweigung zum Parkplatz und verliere mehr als 10 Minuten. Ich bin dennoch rechtzeitig und biege um 6:10 Uhr in meine Parklücke ein, atme durch und frühstücke im Auto.
Ich steige aus, es ist irrsinnig kalt, der Wind weht mir um die Nase und es ist stockfinster. Ich frage mich mehr als nur einmal: Was mache ich hier eigentlich?!
Um Punkt 7 Uhr weiß ich es und laufe mit den ersten Sonnenstrahlen los. Die erste Stunde ist leichtes Gehen. Ich lege nur Strecke, aber keine Höhe zurück. Die Sonne lukt hinter dem Berg hervor und taucht die Umgebung in ein hellrotes Licht. Hin und wieder genieße ich den Ausblick. Um mich herum sind einige Wanderer unterwegs.
Dann kommt das Schild: STOP – Sind sie wirklich gut vorbereitet? Die Warnung weist darauf hin, dass das nächste Stück kein Zuckerschlecken wird. Es beginnt ein steiler Aufstieg, zunächst mit Treppen. Bald laufe ich in die tief hängenden Wolken hinein, es wird noch kälter und ein wenig feucht. Ich kann kaum mehr als 10 oder 20 Meter weit schauen.
Nach kurzer Zeit sehe ich keine Leute mehr. Einige habe ich auf der flachen Strecke überholt. Andere sind vielleicht abgebogen, um Mount Ngauruhoe zu besteigen. In der nächsten Stunde sehe ich nur zwei Menschen. Ich bin allein im Nebel unterwegs, laufe immer weiter, bleibe nie stehen, da es viel zu kalt ist und es ohnehin nichts zu sehen gibt.
Nach einer Weile gelange ich auf ein großes Plateau. Wie groß es wirklich ist, erkenne ich erst später auf dem Rückweg. Dann folgt ein langer, schwerer Anstieg, an dessen Ende ich bereits auf Mount Tongariro stehe. Ich verweile im Nebel und sehe nichts. Der Wind pfeift mir so heftig um die Ohren, dass ich manchmal nur seitwärts gehe.
Auf dem Gipfel finde ich wieder ein Schild. Tagesbesucher sollten hier umkehren. Doch ich habe noch nicht den Blue Lake erreicht, das eigentliche Ende der frei gegebenen Strecke.
Wenig später bekomme ich eine Ahnung davon, weshalb das Schild Leute entmutigen möchte, zum Blue Lake zu wandern. Es geht etwa einen Kilometer bergab auf Sand. Der Rückweg wird später extrem beschwerlich.
Ich habe keine Ahnung wie weit es bis zum See ist, doch auf einmal schimmert blaues Wasser durch den Nebel. Alles wirkt sehr unheimlich. Kein einziger Mensch ist dort, am Ziel der Wanderung! Ich mache ein paar Fotos, unter anderem von mir selbst, und kann nach ein paar Minuten meine Finger kaum noch bewegen. Beim nächsten Mal bringe ich Handschuhe mit.
Es macht nun keinen Sinn, länger dort zu bleiben, denn es ist kalt und nass und neblig und einsam. Beim Aufstieg sehe ich die ersten Menschen nach einer Stunde. Oben beim entmutigenden Schild stehen noch mehr und wagen sich nicht herunter.
Ich habe genug gesehen, bin nass, mir ist kalt und ich trete nun den kompletten Rückweg an. Mir kommen einige Leute entgegen, die sich nach oben schleppen. Nach einer halben Stunde treffe ich meine Zimmergenossen aus der Lodge. Sie sind mit dem späteren Shuttle angereist und sind guter Dinge, dass sich der Himmel bald aufklären wird. Irgendwo weiter unten wollen sie Sonne gesehen haben.
So richtig glauben will ich daran nicht, wir trennen uns und ich gehe weiter zurück. Wenige Minuten später sehe ich in der Ferne tatsächlich ein Stück blauen Himmel. Plötzlich zieht das ganze Plateau auf und ich sehe wie riesig es ist.
Ich ringe mit mir selbst, stoße ein entschlossenes Shit!! aus und kehre um. Ich besteige erneut Mount Tongariro, schließlich bin ich nicht hierher gekommen, um Nebel zu sehen, sondern einen schönen Ausblick.
40 Minuten später bin ich wieder oben und erschöpft und – stehe wieder in der Wolke! Ich bin nun genervt und unentschlossen. Ich laufe oben ein bisschen umher, bloß nicht stehen bleiben.
Nach einer Weile zieht es wieder ein bisschen auf. Die Wolken kommen und gehen. Mal kann ich kilometerweit schauen und dann wieder sehe ich nur Nebel. Schließlich bleibe ich noch mehr als eine Stunde auf dem Vulkan.
Jetzt erst sehe ich den langen Weg, den ich zwei mal gegangen bin und kann nun auch den Blue Lake von oben sehen, den ich zuvor nur aus 20 Metern Entfernung erkennen konnte. Jetzt sind Hunderte von Leuten auf dem Weg zum See. Ich gehe ihn nicht noch einmal. Ich hatte meinen stillen Moment am See.
Gegen 12 Uhr – mittlerweile bin ich fünf Stunden unterwegs – trete ich erneut und endgültig den Rückweg an. Mit kleinen Pausen brauche ich etwa zwei Stunden für den Abstieg.
Es ist jetzt sonnig und auf halbem Wege kann ich meine Jacke ausziehen, da es wärmer wird. Weiter unten ist es wunderschön. Ich sitze eine Weile auf einem Steg an einem Bach und genieße den Blick auf Mount Ngauruhoe, der aus Herr der Ringe als Mount Doom bekannt ist.
Nach sieben Stunden ist das Abenteuer vorbei. Ich bin zufrieden.
Fazit
Die Wanderung war für mich ein 2in1 Erlebnis: Zunächst der einsame und kalte Aufstieg mitten in der Wolke mit den gespenstischen Minuten am Blue Lake und später sonnige Aussichten mit Hunderten anderer Wanderer. Komplett unterschiedliche Erlebnisse.
Das war sicher nicht meine letzte Tongariro Überquerung. Ich hoffe, die Wanderung beim nächsten Mal zu Ende führen zu können.
Hier noch zwei Hinweise für Reisende, die das Tongariro Crossing vor sich haben:
Tongariro Crossing bei Regenwetter
Während der Regentage wurde uns von den Ansässigen immer abgeraten, die Wanderung im Regen vorzunehmen. Die Shuttles sind erst gar nicht losgefahren. Als Unerfahrener Wanderer war das schwer nachzuvollziehen.
Nun, da ich oben war, kann ich selbst nur davon abraten, bei Regenwetter auf den Mount Tongariro zu steigen. Auch an einem eher guten Spätsommertag ist es dort oben sehr kalt, windig und feucht gewesen. Ohne Bewegung habe ich es kaum ausgehalten.
Das möchte ich nicht machen, wenn mir dabei auch noch der Regen ins Gesicht peitscht und ich bald durchgeweicht bin.
Parkplätze beim Tongariro Crossing
Seit der Track begrenzt ist und die Wanderer umkehren müssen, ist die Parkplatzsituation sehr angespannt. Es gab Gerüchte von 30-40 Parkplätzen. Ich habe nachgezählt: Es sind 66 offizielle Parkplätze und es gibt etwa 15 zusätzliche Parkmöglichkeiten abseits der offiziellen Parzellen.
Auf der Schotterstraße, die zum Parkplatz führt, darf nicht geparkt werden. Die einzige Alternative ist, zur Hauptstraße zurückzufahren und von dort loszulaufen. Das bedeutet jedoch eine zusätzliche Laufstrecke von 2 x 7 km.
Nach meiner Rückkehr standen dort etwa 20 Fahrzeuge.
Der Parkplatz war um 6:45 Uhr voll. In der Hauptsaison mag es noch früher sein!
Als ich um 13:45 Uhr zurück kam, waren etwa 10 Parkplätze frei. Ab der Mittagszeit kann also wieder geparkt werden.
Wer auf Nummer sicher gehen und länger schlafen möchte, sollte ein Shuttle buchen. Dieses kostet $30 vom National Park Village. Von anderen Orten aus mag es etwas teurer sein.
Gott sei Dank bist du noch einmal umgekehrt, dass du uns die tollen Fotos präsentieren kannst. An Regentagen hat man oben wahrscheinlich etwas Ruhe. Dass um 6:45 bereits der Parkplatz voll ist, ist auch nicht ermutigend.
Wir waren im Februar 2014 vor Ort und hatten zum Glück perfektes Wetter mit Sonne satt und ab und zu ein paar Wolken. Trotzdem ist es auf der Spitze kalt und ohne geeignete Oberbekleidung sicherlich nicht ungefährlich wenn das Wetter umschlägt. Allerdings sind jede Menge Leute vor Ort die helfen können wenn wirklich etwas passiert. Auch reichen Turnschuhe mit Profil aus für die Wanderung. Jeder der in der Nähe ist und Zeit hat auf einen guten Tag zu warten sollte sich die Zeit nehmen. Leistungstechnisch ist der Aufstieg aber von jedem nicht adipösen Mitteleuropäer gut zu schaffen. Ach, Mobilfunknetz gab es im übrigen auch. :)
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