Wenn ein Thema diesen Blog geprägt hat, dann waren es die Geständnisse eines introvertierten Reisenden. Seitdem sind hier einige Leser hängen geblieben, die sich genau damit identifizieren können.
Doch egal, ob introvertiert oder extrovertiert: Einige meinen, dass die Worte „introvertiert“ und „Reisender“ gar nicht zusammen passen, sondern ein Widerspruch seien.
Das sehe ich natürlich anders. Ich finde es überhaupt nicht ungewöhnlich, wenn Introvertierte reisen. Ich habe ja selbst viel Freude daran. Allerdings reise ich etwas anders, als die Mehrheit der Backpacker. Heute erzähle ich Dir, wie das aussieht und was Du als Introvertierter Dir davon abschauen kannst.
Ich sehe keinen Grund, warum nicht jeder Introvertierte reisen können soll. Zuhause verpasst Du viel zu viel und bedenke: Später bereust Du all die Dinge, die Du heute nicht tust.
Meine 15 Tipps für Introvertierte auf Reisen:
1. Es ist OK, allein zu reisen
Du musst natürlich nicht allein verreisen, aber wenn Du das willst, ist es völlig in Ordnung. Nicht jeder in Deinem Umfeld wird es verstehen, doch da musst Du drüber stehen. Als Introvertierter wird Dir das Alleinsein vermutlich leichter fallen und das kannst Du auch gegenüber anderen vertreten. Wenn Du einmal unterwegs bist, wirst Du feststellen, dass viele Menschen allein verreisen.
2. Investiere in ein Einzelzimmer
Backpacker achten ja zumeist sehr auf ihr Budget und Übernachtungen sind ein großer Kostenfaktor. Also schlafen sie oft in Mehrbettzimmern. Ich versuche, das zu vermeiden. In Mexiko wurde ich dafür schon mal schief angeschaut: „Du musst ja Geld haben.“
Ja, ich habe etwas mehr Budget, schließlich bin ich kein 20-jähriger Student mehr. Doch unabhängig davon, ist ein Einzelzimmer für mich eine lohnenswerte Investition in mein eigenes Wohlbefinden.
3. Wenn es doch ein Dorm sein muss..
In manchen Ländern sind mir Einzelzimmer auf Dauer zu teuer. Daher bin ich in Australien und Neuseeland auf Mehrbettzimmer (Dorms) ausgewichen. Wenn das sein muss, dann suche Dir ein kleines Zimmer mit nur vier oder höchstens sechs Betten.
Sobald Du auf Deine Mitbewohner triffst, stelle Dich ihnen sofort vor. Es ist einfach schöner zu wissen, wer im gleichen Zimmer schläft. Wenn Du jedoch zu lange wartest, wird die Situation immer unangenehmer.
4. Scheue Dich nicht, allein zu essen
Vielen Menschen ist es unangenehm, allein essen zu gehen. Ohne Begleitung meide ich immer noch manch ein Restaurant. Dabei ist das Blödsinn. Dahinter steckt nur die Sorge, was andere von uns denken. Vermutlich denken sie gar nichts, denn sie sind ohnehin mit sich selbst beschäftigt.
Nimm ein Buch mit, so kannst Du Dich selbst sinnvoll beschäftigen, während Du auf das Essen wartest. Ich gehe nie ohne meinen Kindle allein ins Restaurant.
5. Vermeide lange Gruppenausflüge
Ich versuche, Situationen zu vermeiden, in denen ich mehrere Tage an eine Gruppe gebunden bin. Es kann gut gehen, aber vermutlich wird es anstrengend. Daher nehme ich nur an kurzen Touren teil, die nicht länger als einen Tag dauern.
Auch Couchsurfing mache ich nicht, da ich mich meinem Gastgeber verpflichtet fühlen würde, auch wenn ich gar keine Lust habe, Zeit mit ihm zu verbringen.
6. Lass Dich nicht vereinnahmen
Es gibt Menschen, die sich gern an andere dran hängen und kein Gespür dafür haben, wenn sie es übertreiben. Es ist nicht leicht, sie loszuwerden, aber der beste Weg ist eine direkte Ansage.
Weise sie darauf hin, dass Du gern Zeit für Dich hättest und am liebsten allein reist. Das mag nicht angenehm sein, aber es ist besser, als Dir die Energie rauben zu lassen, wenn Du jemanden nicht wirklich magst.
7. Befreie Dich von Erwartungshaltungen
Die Erwartungen anderer sind die Erwartungen anderer. Ich habe ja schon einmal gestanden, dass meine Vorstellung einer perfekten Reise nichts mit den Vorstellungen von Extrovertierten zu tun hat. Trotzdem neige ich dazu, ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn ich nicht den Spaß habe, den andere haben. Dabei ist die Lösung ganz einfach: Ich mache mir meinen eigenen Spaß, und zwar so wie ich ihn mag.
8. Ziehe Dich auch mal zurück
Wenn es unterwegs zu viel Interaktion gibt, ziehe Dich ruhig auch mal zurück, zum Beispiel in Dein Einzelzimmer. Falls das gerade nicht geht, kannst Du Dich auch hinter einem Buch verstecken oder Kopfhörer aufsetzen. Ein deutliches Signal, dass Du Dich gerade nicht unterhalten möchtest.
9. Vermeide Party-Locations
Jeder Ort und jedes Hostel hat eine Reputation und zieht entsprechendes Publikum an. Wenn ein Hostel für seine Partys bekannt ist, dann musst Du auch genau damit rechnen. Teilweise trifft das auf ganze Orte zu. Diese solltest Du einfach meiden und Dir stattdessen etwas suchen, das Dir besser liegt. Dort findest Du auch die Menschen, die besser zu Dir passen.
10. Sag auch mal nein
„Do you want to get drunk tonight?“ ist eine Frage, die Du unterwegs hin und wieder hören wirst. Einige Leute beantworten sie jeden Tag mit ja. Ich beantworte sie in der Regel mit nein, und das ist auch in Ordnung. Wann immer ich ja gesagt habe, um jemandem zu gefallen, habe ich es später bereut.
11. Beobachten ist auch schön
Du musst Deine Reisen nicht mit Erlebnissen vollpacken. Es ist auch schön, einfach nur im Park oder Café zu sitzen, Menschen zu beobachten oder ein Buch zu lesen. Ja, lesen kannst Du auch zuhause, aber machst Du es wirklich? Ich lese mehr, wenn ich unterwegs bin. Es ist für mich ein Teil meiner Reisen geworden und damit bin ich sehr zufrieden.
12. Höre auf Dich selbst
Du musst Dich nicht wie der Klischee-Introvertierte verhalten. Wenn Dir danach ist, Dich unters Volk zu mischen, dann mach das. Halte Dich im Gemeinschaftsbereich Deiner Unterkunft auf oder geh allein in eine Bar. Dort ergibt sich was. Das mache ich zwar selten, aber manchmal ist mir danach und dann mache ich das eben.
13. Guides sind auch Einheimische
Extrovertierte sprechen oft Einheimische in jeder Lebenslage an. Vielleicht wohnen sie sogar eine zeitlang bei ihnen (zum Beispiel im Rahmen eines Sprachkurses). Das reizt mich gar nicht. Und trotzdem ist es natürlich schön, etwas über das Leben vor Ort zu erfahren. Der einfachste Kontakt ist der zu den Tour-Guides. Das reicht mir oft schon aus. Auch einheimische Sprachlehrer sind naturgemäß gute Gesprächspartner.
14. Werde persönlich
Je länger ich reise, desto weniger mag ich den damit verbundenen Small Talk. Anfangs kam ich damit noch gut zurecht und ich nutze ihn immer noch zum Einstieg, aber es ist langweilig. Es interessiert mich nicht ernsthaft, wie lange jemand unterwegs ist, wo er schon war und wo er demnächst hin will. Small Talk ist ja ohnehin nicht die Stärke von Introvertierten.
Wenn ich bei jemandem ein sehr gutes Gefühl habe, versuche ich, schneller persönlich zu werden. Dann stelle ich entsprechende Fragen (eine Stärke von Introvertierten), um vom Small Talk wegzukommen und zu entdecken, ob da wirklich eine gemeinsame Grundlage besteht.
15. Sei nicht zu bequem
Die meisten dieser Tipps sollen es Dir etwas bequemer machen, um Deine Reise genießen zu können. Reise nach Deinem eigenen Stil, und dazu gehört, dass Du nach Deinen Vorlieben handelst.
Aber mache es Dir nicht zu bequem! Zu einer erfüllten Reise gehört auch, die Komfortzone hin und wieder zu verlassen und etwas Neues kennenzulernen. Du wirst sonst viel verpassen.
Das sind meine Tipps für Introvertierte auf Reisen. Damit fahre ich mittlerweile ganz gut und fühle mich unterwegs zumeist sehr wohl. Ich hoffe Du kannst davon einiges für Dich mitnehmen, und vielleicht hast Du auch einen Tipp, den Du hier teilen möchtest?
Falls Du es noch nicht weißt: Ich habe einen Blog, der sich nur mit Introversion beschäftigt, und zwar introvertiert.org.
Hi Patrick,
musste bei diesen Worten echt schmunzeln – hatten wir das ein oder andere die letzten Tage in Antigua erst angesprochen. Ich gehöre wohl definitiv nicht zu den Introvertierten, da ich beispielsweise:
* gerne im Dorm-Room schlafe, obwohl ich mir auch Einzelzimmer leisten könnte … einfach weil ich Leute kennen lernen will
* Small-Talk für einen guten Einstieg in ein Gespräch halte … einfach weil ich gerne mit Leuten kommuniziere und lieber Tipps & Erfahrungen von anderen Reisenden als aus Reiseführern sammle
* bewusst auch mal nach einem Partyhostel suche und dies buche … einfach weil ich gerne Spaß habe
* jetzt in San Pedro meinen Sprachkurs inklusive einer Übernachtung bei einer Familie (homestay) gebucht habe … einfach weil ich mehr von Land und Leute kennen lernen will
… aber definitiv habe ich auch die Momente, wo ich jede Art von Small-Talk hasse, wo ich lieber ein Einzelzimmer, als ein Dorm-Room buche, wo ich das Verhalten von einigen Backpackern einfach nur peinlich finde und wo ich keinesfalls von jemanden angesprochen werden will.
Im Prinzip findet jeder Reisende früher oder später seinen eigenen Weg – und die Wege von Introvertierten, Extrovertierten oder Menschen dazwischen kreuzen sich hin und wieder. Ich kann nicht sagen, dass ich mich die gemeinsamen zwei Tage in Antigua gelangweilt habe – ganz im Gegenteil. Unterschiedlich und dennoch gemeinsame Interessen und Themen. Also alle Introvertierten daheim – macht Euch auf und entdeckt die Welt. Ihr werdet Euren Weg finden. Patrick ist ein sehr gutes Beispiel.
Also viel Erfolg weiterhin beim Reisen und Schreiben!
VG aus San Pedro de Laguna (am Lake Atitlan in Guatemala)
Tino
Hey Tino,
danke, ich hatte auch ’ne gute Zeit mit Dir in Antigua :-)
Viele Grüße,
Patrick
Hi Patrick,
ich reise auch zum Großteil alleine und kann mein Verhalten in den meisten Punkten wiedererkennen. Nur würde ich nicht unbedingt sagen, dass Couchsurfing nichts für Introvertierte ist. Es gibt einige Hosts, die ein extra Zimmer für ihre Gäste haben und einen Schlüssel ausleihen, und viele sind eigentlich eher froh, einen Gast zu haben der selbständig ist. Wenn man klar vorher kommuniziert, dass man lieber etwas alleine unternimmt, ist das kein Problem. Manchmal überkommt mich zwar auch eine „Unlust“, mich auf jemand anderes einstellen zu müssen und nicht so unabhängig wie in einem Ho(s)tel zu sein, aber letzten Endes lohnt sich dieses „Opfer“ wirklich immer – die Einsichten, Erlebnisse und Freundschaften die ich beim Couchsurfen gemacht habe würde ich nicht missen wollen.
Beim Punkt allein Essen gehen musste ich schmunzeln, ich war vor kurzem in Spanien und da fand ich es besonders schlimm, in all den Tapas Bars mit supersozialen Spaniern kam ich mir alleine echt wie ein Depp vor und musste mich total überwinden ;)
Hi Steffi,
ich nutze lieber AirBnB als Couchsurfing. Dabei fühle ich mich nicht so sehr in der Pflicht. Ich stimme in jedem Fall zu: Bei beidem kann man ganz wundervolle Menschen kennenlernen.
Eine Tapas Bar fänd‘ ich allein auch nicht cool :D
Hi Patrick,
ein schöner Beitrag, den ich zu 99% so für mich übernehmen könnte. Insbesondere die Punkte „Einzelzimmer“ und „bloß keine Gruppenausflüge“ sprechen mir aus der Seele. Ich brauche definitiv meinen Rückzugsort (-Zimmer), sowohl zu Hause, als auch im Urlaub. Auch Ausflüge in Gruppen sind mir ein Graus, mit festgelegtem Programm und lustigen Aktivitäten im Halbstundentakt.. furchtbar. Trotzdem finde ich deinen Hinweis gut, dass man sich auch mal aus der Komfortzone wagen muss. Ich habe mich mal in Thailand zu einem Ausflug (in der Gruppe) nach Ko Tachai durchgerungen, weil das allein nicht machbar war. Ergebnis: wider Erwarten sehr gut, habe spontan ein nettes Paar kennengelernt, so dass es insgesamt ein schöner Tag war. Habe allerdings auch schon genau gegenteilige Erlebnisse mit Gruppentouren gehabt..
Den Punkt mit dem „allein essen gehen“ kann ich gut nachvollziehen. Bei mir ist es komischerweise so, dass ich nie zu Hause an meinem Wohnort allein in ein Cafe/Restaurant gehen würde, da hätte ich viel zu viel Angst, hier in der Provinz wen zu treffen und schief angeguckt zu werden. Ich bin aber beruflich viel unterwegs, und auf meinen Dienstreisen hingegen habe ich überhaupt kein Problem damit. Bin meistens in großen Städten, wo man in der Masse untergeht, da macht es mir überhaupt nichts aus. Habe immer eine Zeitung oder mein Smart Phone dabei, und damit hab ich genug Unterhaltung, um allein klarzukommen.
Freue mich über weitere Texte zu dem Thema.
Alles Liebe
Manuela
Hallo Manuela,
ich danke Dir für Deinen Beitrag!
Ja, mit den Gruppenausflügen ist es wie mit so vielem im Leben: Mal gewinnt man, mal verliert man :-) Ob wir das als Spaß empfinden, hängt also stark davon ab, ob genau die 1-2 Leute dabei sind, mit denen wir uns besonders wohl fühlen.
Super tipps, danke! Sehr schön zu wissen, dass es auch andere gibt, die nicht 24/7 zum sozialisieren aufgelegt sind. ;) Ich plane demnächst eine Lateinamerika Reise, mal schauen was ich für Erfahrungen mache!
Viel Spaß. Du kannst hier gern berichten :)
Werde ich dann falls ich dran denk ;) Habe heute Frankfurt – Bogota und zurück für 370€ gebucht – fängt schonmal sehr gut an! :)
Wow, was für ein Hammerpreis!
Wirklich wow – das ist ja die Hälfte von dem was ein einfacher Flug von Bogota nach Rio de Janeiro kostet. Würde es auch als gutes Zeichen sehen. Und in Bogota kann ich Dir dringend Candelaria empfehlen. Hier ist viel Altstadt, es ist einiges aber nicht zu viel an Tourismus, ist sicher und sehr nah zu vielen Attraktionen … auch für Leute die gerne mal alleine herum laufen wollen ;)
Ja war wirklich ein super Angebot, gibt’s immer noch bei Iberia – ich hoffe das passt dann alles, aber ich bin sehr glücklich damit. :) Vielen Dank, ich bin gerade noch am Tipps sammeln und überlegen was ich alles machen will, da kommt die Empfehlung sehr gelegen! ;)
Und ich dachte die ganze Zeit, ich wäre einfach nur seltsam. Gut zu wissen daß ich nicht alleine bin, und lieben Dank für die Tipps, die sind toll!
Liebe Grüße
Sandra von Entsitz
Hallo Patrick, finde deinen Blog und im Speziellen diesen Artikel super. Spricht mir aus Seele :) Liebe Grüße, Andrea