In den Wochen vor meinem Flug nach San Francisco plagte ich mich mit einigen Zweifeln herum. Zweifeln am Dauerreisen und am Nomadenleben. Ich hatte nicht einmal mehr Lust, die Reise in die USA anzutreten. Letztendlich überwand ich mich nur, weil ich bereits ein Konferenzticket gekauft hatte und ich meine Wohnung in Leipzig verlassen musste.
Die Zweifel haben sich nun weitgehend gelegt. Ich denke nicht mehr darüber nach, ob ein nomadisches Leben für mich erstrebenswert ist. Ich weiß, dass es das nicht ist. Ich weiß, dass ich viel Zeit in meiner Heimat verbringen möchte. Das ist für mich Leipzig. Ich wollte längst ein Loblied auf diese Stadt schreiben. Der Artikel ist halb fertig, doch er gefällt mir nicht. Vielleicht trifft mich die Inspiration demnächst noch.
Ich weiß allerdings auch, dass meine Freiheit sehr wertvoll ist. Ich muss nur lernen, besser mit ihr umzugehen. Ich habe immer noch Lust, häufiger zu verreisen. Wenn auch nicht mehr viele Monate am Stück und auch nicht mehr sechs Monate im Jahr.
San Francisco
Die letzten zehn Tage verbrachte ich in San Francisco. Es war eine besonders inspirierende Zeit. Ich hatte die Gelegenheit, viele neue Dinge auszuprobieren. Und ich habe mich darauf besonnen, in mich selbst zu investieren. Jeden Tag gibt es ein paar kleine Investitionen. Sie tun mir gut. Es sind meine Daily Practices.
Die gute Zeit ist vor allem das Verdienst meines AirBnB-Gastgebers David. Bei ihm war ich schon einmal vor zwei Jahren. Damals war es meine erste Erfahrung mit AirBnB. Er war der beste erste Gastgeber, den ich mir vorstellen konnte. Und nun bin ich zurück.
Beim Segeln in Sausalito
Obwohl David sein Gästezimmer heute nicht mehr regelmäßig vermietet, hat er mich erneut aufgenommen. Dieses Mal blieb ich für zehn Tage. Ich wollte einfach faul in San Francisco verweilen und in ein paar Hipster-Cafés herumhängen. Das habe ich auch gemacht. Aber auch einiges mehr.
David hielt mich sehr beschäftigt. Schon am ersten Abend schmiss er eine kleine Dinner Party mit einigen Freunden. In den folgenden Tagen war so viel los, dass ich manchmal passen musste, um mal Ruhe zu haben und Zeit, alles aufzuarbeiten. Zeit zum Lesen, Schreiben und mehr.
Wir besuchten ein Chor-Konzert in einer Kirche. Wir waren Segeln in Sausalito. Wir lauschten einem Vortrag über die Sahara. Wir gingen ins Fitnessstudio. Wir schauten Baseball in einer Bar. Am Samstag besuche ich noch ein Roller Derby.
Viel Zeit verbrachten wir im Tech Shop – einer Werkstatt für Bastler und Kleinunternehmer. Dort bauen Leute an den Prototypen ihrer eigenen Produktentwicklungen. Faszinierend für jemanden wie mich, der nichts weiter kann als einen Blog zu installieren. Im Tech Shop verfeinert David seine eigenen Produkte. Vor allem Schablonen, die er auf Basis einfacher Fotos erstellt. Nach einiger Zeit konnte ich es selbst. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für mich.
Beim Konzert erwähnte ich beiläufig, dass ich einen Gitarrenkurs besuchen möchte, sobald ich zurück in Leipzig bin. Davids konsequente Antwort: „Weißt Du was besser ist, als damit in Leipzig anzufangen? Sofort damit anzufangen!“. Drei Tage später erhielt ich den ersten Gitarrenunterricht seit 20 Jahren. In einem kleinen schäbigen Probenraum, von einem Vollblutmusiker. In den zwei Sessions habe ich mehr über Musik gelernt als in 13 Jahren Schulunterricht. Nun übe ich jeden Tag, bis die Fingerkuppen taub werden.
Ich möchte diese neuen Dinge mitnehmen. Auch jene, die am Anfang nicht so spannend klingen (Chor-Konzert, Sahara-Vortrag). Und ich möchte die neuen Dinge üben. Ich möchte nur mit Dingen Zeit verbringen, zu denen ich mich nicht motivieren muss, oder die zumindest eine Investition in mich selbst sind.
Ich möchte lesen, schreiben, Gitarre spielen, meditieren, Sport treiben, Spanisch lernen, Ideen aufschreiben und inspirierende Freunde treffen. All die Dinge, die gut für mich sind.
Wenn das heißt, dass es für ein paar Wochen keinen neuen Reiseartikel gibt, dann ist das eben so. Ich musste einmal diesen selbst auferlegten Druck loswerden, jede Woche zu liefern. Derweil schreibe ich ein bisschen für introvertiert.org – das geht mir momentan leichter von der Hand – und bereite langsam (wirklich langsam) ein dazu passendes Buch vor.
Das war San Francisco für mich. Ich war nicht auf Alcatraz. Nicht bei der Golden Gate Bridge. Bin nicht mit einer offenen Straßenbahn gefahren. War nicht bei Fisherman’s Wharf. Nicht auf dem Coit Tower. Für San Francisco-Touristen gibt es in diesem Artikel also nichts zu holen.
Auf den Twin Peaks – dem Hausberg „meiner“ Nachbarschaft
Aber immerhin ist dieser Text ein Plädoyer dafür, hin und wieder etwas Neues zu tun und sich treiben zu lassen. Viel zu lernen und zufriedener zu werden.
Als nächstes mache ich mich auf den Weg in den Sequoia Forest. Dort miete ich eine kleine Hütte. Ganz spartanisch. Ich werde wenig oder gar nicht online sein. Die Natur genießen. All die neuen Dinge üben. Einschließlich Gitarre spielen. Für $30 habe ich mir eine gemietet. Ich werde viel lesen, Ideen sammeln, über mein Buch nachdenken, und sicherlich auch zu Fuß und per Mountainbike die Gegend erkunden. Vielleicht schreibe ich anschließend darüber. Wenn ich Lust habe.
Hey Patrick,
ich denke, Du machst das schon sehr gut so und die Dinge werden sich einpendeln.
Bin besonders gespannt auf Deine Hütten-Erfahrung (steht die Hütte in einer kleinen Siedlung?).
Auf Dein Loblied auf Leipzig freu ich mich auch schon, hab da zwei Jahre gewohnt und zumindest auf dem Papier auch studiert.
LG
Tim
Eine Hütte im Wald zum Lesen und Gitarre spielen – das klingt sehr einladend! Hab eine gute Zeit :-)
Ich finden den Artikel sehr gut, weil es auch das Problem beim reisen sicherlich erfasst. Und daran ist nichts schlimmes. Obgleich einige dann deinen Reiseblog vermissen. Ich folge dir aber auf jeden Fall weiter.
Viel Spass und viel Glück
Hey Patrick,
das hört sich toll an. Meine Gitarre steht auch zuhause und jedes Jahr nehme ich mir vor einen Kurs zu machen und über meine 3-Akkorde herauszukommen…
Bin auf deinen Leipzig Artikel gespannt und auch, ob du über die Natur und die Hütte (vielleicht mit einer Gitarre im Gepäck) verbringst ;-) Hört sich sehr entspannend und aufregend an!
PS: Ich habe schon letztes Jahr festgestellt dass ich kein Typ zum Langzeitreisen bin. Ich liebe die Heimat, meine Familie und die Freunde. Nichts ist schöner für mich als nach einer Reise wieder daheim anzukommen.
PPS: Wenn du weiter Stencils erstellst wirst du ein kleiner Banksy ;-)
Bin froh, dass du froh bist. :) Hatte mir kurz etwas Sorgen gemacht. Hihi. Fein. Die Investition in sich selbst ist die Beste. Und die Bilder sind wirklich cool!
Freue mich auf weitere Beiträge. Danke dir und Alles Liebe!
Hallo Patrick,
toller Beitrag. Die Investition in sich selbst oder in sein Umfeld wie Freunde und Familie ist doch die Beste, die es gibt. Es ist so wichtig, Abends glücklich einzuschlafen und mit dem selben Gefühl aufzuwachen.
Ich fand schon deinen Beitrag nach der DNX toll, da es mir in vielen Dingen ähnlich geht. Ich liebe das Reisen, sehne mich aber parallel nach Terasse und Garten. Ich werde wohl nie woanders als in Karlsruhe leben und ich werde hoffentlich immer für meinen jetztigen Brötchengeber arbeiten. Einfach, weil es mich glücklich macht.
Bin gespannt, was dich in Zukunft alles glücklich macht und bin sehr auf den Leipzig Artikel gespannt.
Viele Grüße
Tanja
SF und Burning Man haben mich letztes Jahr umgehauen. Für dieses Jahr steht es eigentlich auch wieder an, aber ich habe für mich beschlossen stattdessen eher sesshaft zu werden, klar mit gelegentlichen Abenteuern, aber sesshaft. Mein Kopf platzt mit Inspiration, Plänen, Ideen und ich brauche nun endlich mal den Platz und die Ruhe diese auch umzusetzen.
Bin gespannt wie es bei dir weitergeht. :)
Du warst nicht auf der Golden Gate Bridge? Was für ein Verbrechen;D
In einigen Absätzen sprichst du mir aus der Seele. Auch ich werde seit ein paar Monaten immer zufriedener und es ist eines der besten Gefühle, die ich kenne. Ich mache mir auch keinen Druck mehr mit meinem Blog, und schnappe mir dann meine Inline Skates, wenn die Sonne mich anlacht und es mich von selbst nach draußen zieht.
Irgendwo habe ich mal gelesen/ gehört: ein Apfel muss sich auch nicht motivieren, um vom Baum zu fallen. Ich denke auch, dass es am besten ist, sich mal treiben zu lassen und es mit Selbstdisziplin und Motivation nicht zu übertreiben.
Dass du das Glück hattest, mit einem Vollblutmusiker Gitarre zu üben ist natürlich sehr wertvoll! Auch ich bin im Leben immer wieder mit tollen Musikern in Berührung gekommen und war auf einem guten Level. In letzter Zeit fehlte mir dieser Input und meine Gitarre verstaubt in der Ecke… eine Schande, aber dafür interessieren mich wieder andere Dinge.
Alles Gute dir und ne entspannte Zeit auf der Hütte
Melly
Ich glaube deine Geschichte über Leipzig wird interessanter wenn du Tagesausflüge in und um Leipzig unternimmst und die Erlebnisse mit einbringst hab‘ ich mir nur so gedacht. Ansonsten noch ne schöne Entspannungszeit
Hallo Patrick :-)
schoen, dass es dir gut geht und du die Zeit in San Fransisco geniessen kannst.
Ich weiss, wie wichtig es ist, Sachen nur fuer sich selbst zu tun und freue mich fuer dich, dass du auf diese Weise Kraft tanken kannst :-)
Ich wuensch dir noch viel Spass beim Gitarre spielen und Kraefte sammeln.
Falls du ab August mal wieder in Leipzig bist und Lust auf ein Gespraech hast, melde dich :-)
LG aus dem schoenen Wales
Sindy
„Ich war nicht auf Alcatraz. Nicht bei der Golden Gate Bridge. Bin nicht mit einer offenen Straßenbahn gefahren. War nicht bei Fisherman’s Wharf. Nicht auf dem Coit Tower. Für San Francisco-Touristen gibt es in diesem Artikel also nichts zu holen.“
I love it.
Du machst das alles super, Patrick. Folge deiner Seele, die weiß was dir gut tut. Aber wies aussieht, machst du das ja eh momentan ;)
Bis bald in Portland!
Patrick, ich finde toll wie du das machst und so offen darüber spricht.
Wenn das Geld reicht und die Verpflichtungen klein genug sind, dann lass dich treiben.
Ich glaube kaum, dass dir jemand böse ist wenn hier nicht ständig ein neuer Artikel erscheint.
Weniger ist ja oft mehr. Also besser ein toller Artikel den du schreibt, weil du das willst, als fünf Artikel die irgendwie rausgewürgt werden weil es eben sein muss.
Weiter so, auch wenns mal still wird.
Hallo zusammen,
ich danke euch für euren Zuspruch! Heute war der Tag in San Francisco schon wieder so voll gepackt (mit untouristischem Zeug), dass ich gerade keine Zeit habe, auf jeden einzeln einzugehen und morgen geht’s schon weiter zum Roller Derby und dann in den Wald.
Ich freue mich über die Unterstützung!
Hey Patrick,
schön zu sehen, wie du dich um dich sorgst.
Und danke für den Reminder an die „Daily Practice“ – das ist nämlich mein Haken gerade.
Liebe Grüße und bis bald!
Ben
Hallo Patrick,
finde es eine interessante Entwicklung. Den Druck, einen Blog (oder mehrere) füttern zu MÜSSEN kenne ich gut. Es geht zum einen ums Geld verdienen, der Grundlage eines jeden digitalen Nomadentums. Andererseits möchte man seinen Followern gerecht werden. Insbesondere letzteres kann einem mehr Druck machen als eigentlich nötig wäre. Ich denke es ist auch ein entscheidender Faktor als Privatmensch zu reisen, nicht als Reiseblogger. Immer dieses „was kann ich über diesen Ort / diese Situation / diese Atmosphäre schreiben“ kann einem den Spaß verderben. Unbewusst dazu führen, dass man sich nicht gehen lässt, einfach mal schaut wohin die Reise führt. Mehr darauf schauen dass man das macht, was einem wirklich Freude bereitet, den Horizont erweitert, einem dabei hilft sich selbst weiter zu entwickeln.
HI Patrick,
vielen Dank für den schönen, ehrlichen Artikel. Das klingt so, als hättest du eine wirklich gute Zeit in SF gehabt. Vermutlich anders, als die meisten Urlaubr dort, aber offensichtlich für dich genau richtig.
Ich finde, du hast echt viel gelernt und viel vom Leben verstanden in der letzten Zeit. Respekt, dass du dein Ding so konsequent durchziehst, völlig unabhängig von vermeintlichen Verpflichtungen und Klisches, was „man“ in SF zu machen hat. Du bleibst dir treu und ich denke, das ist ein sehr guter Schritt zu einem glücklichen Leben.
Lachen musste ich bei der Aufzählung von den Sachen, die du gerne machst. Bis auf Gitarre spielen könnte ich das komplett für mich übernehmen:-)
Freue mich auf weitere Artikel in der Art. Eine gute Zeit noch in den Staaten.
Manuela
Für mich klingt das nach einer perfekten Reise! Orte sind doch immer mehr als Sehenswürdigkeiten. Es sind die Menschen und das Lebensgefühl, auf das es ankommt. Also, finde ich. Und die Hütte im Sequoia-Wald kling fantastisch. Ich freu mich drauf, von den Erkenntnissen zu lesen, die du dort haben wirst. Und ich glaube, du gibst deinen Lesern auf diese Art viel mehr als mit schnöden Touri-Tipps. ;)
Viele Grüße,
Lena
Hallo Patrick,
Kann dich voll und ganz verstehen. Ich bin im Moment an der Ostküste Australiens unterwegs habe aber eigentlich grade überhaupt keinen Bock mir all die Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Ich genieße es viel mehr einfach einen guten Tag zu haben, an dem ich bisschen Gitarre am Strand spiele, was leckeres koche, bisschen Esperanto-Vokabeln büffle und an meinen Projekten arbeite.
Das tolle am Reisen ist doch, dass wir machen können was wir wollen WO wir wollen. Leider drängt uns das WO zu häufig zu ein spezifisches WAS auf, das wir gar nicht wollen.
Hoffe dein Artikel inspiriert mehr Menschen dazu antiklischeehaft zu reisen – weiter so, 0815-Beiträge für Touristen gibt es doch eh schon viel zu viele :)
Lg
Daniel