Dies ist ein Gastartikel von Katharina Merz, die zurzeit im vietnamesischen Dorf Na Rang als Volunteer arbeitet.
Es ist 6 Uhr morgens. Ich wache auf von Hühnergegacker und einer Melodie, gespielt auf einer Bambusflöte. Es dauert kurz, bis ich mich wieder erinnere, wo ich bin. Nach drei Wochen Backpacking durch Vietnam, von Saigon über Hoi An bis nach Phong Nha, erlebe ich gerade ein ziemliches Kontrastprogramm zum bisherigen Reisetrubel und Sturm von Eindrücken. Für zwei Wochen arbeite ich als Freiwillige in Tho’s Homestay mitten im nördlichen Bergland. Der Homestay wurde Anfang des Jahres vom 21-jährigen Trung aufgebaut, der hier seit seiner Geburt mit seinen Großeltern Cong und Tho lebt. Ich helfe Trung während meiner Zeit hier beim Online-Marketing, um den Homestay einem breiteren Publikum bekannt zu machen.
Tho’s Homestay liegt in Na Rang, einem kleinen Dorf im Xin Man District zwischen Sapa und Ha Giang. Während diese beiden Orte oft zum Programm von Vietnamreisenden gehören, sind Touristen in Na Rang bisher noch ein seltener Anblick. Na Rang ist ein Dorf der Tay, eine ethnische Minderheit, zu der knapp zwei Prozent der vietnamesischen Bevölkerung gehören. Die Mehrheit der Tay lebt vom Reisanbau und der Fisch- und Viehzucht, so auch hier im Dorf. Auch zu Tho’s Homestay gehört Landwirtschaft, Reis, Grüntee und Gemüse wird angebaut. Rund um das traditionelle Holzhaus auf Stelzen, in dem die Gäste schlafen, leben außerdem Fische, Wasserbüffel, Schweine und Hühner.
Bei meiner Reiseplanung habe ich über die Volunteering-Seite „Workaway“ mit Absicht nach einem Ort abseits vom Massentourismus gesucht. Wie ruhig und abgelegen es hier tatsächlich ist, hat mich bei meiner Ankunft dann aber doch überrascht. Das verrückte Hupkonzert Saigons noch im Ohr, genieße ich es, hier nur ab und zu ein Motorrad zu hören und ansonsten hauptsächlich dem Zirpen unzähliger Grillen und dem Rauschen von irgendwelchen Bächen und Flüssen zu lauschen. Die Schönheit der Landschaft rund um Na Rang steht der bei Sapa in nichts nach. Bei meinen nachmittäglichen Spaziergängen kommt es mir oft so vor, als würde ich durch ein Gemälde wandern, so unwirklich und märchenhaft sieht alles aus. Ich kann mich nicht sattsehen an den grünleuchtenden Reisterrassen, den verschlungenen Tälern und den kristallklaren Flüssen zwischen den malerischen Bergketten.
Verstreut an den Hängen entlang der Wege liegen vereinzelte Häuser. Da ich weit und breit die einzige Touristin bin, ziehe ich viele neugierige Blicke der Einheimischen auf mich. Die Menschen hier begegnen mir sehr offen und freundlich, Kinder rufen mir strahlend „Hello“ zu, überholende Motorradfahrer grüßen lächelnd, entgegenkommende Bäuerinnen mit ihren Wasserbüffeln sprechen mich an. Leider sind die Gespräche sehr schnell beendet, denn mit Englisch kommt man hier nicht weit und meine Vietnamesischkenntnisse beschränken sich auf wenige Wörter, die ich meistens nicht korrekt ausspreche. Auch wenn ich allein über die Dorfhauptstraße gehe, stoße ich auf viel Interesse. Ich habe schon mit einer Tofuverkäuferin Tee getrunken, mit ein paar Jungs Volleyball gespielt und den Reiswein eines Ladenbesitzers probiert.
Wenn mir die Sprachbarriere und die Idylle zu viel werden, gibt es zum Glück alle paar Tage Übernachtungsgäste, die im Homestay vorbeikommen. Meistens sind es Individualreisende mit eigenem Motorrad, man kann jedoch auch aus Hanoi, Sapa oder Ha Giang mit dem Bus anreisen. Wer nicht nur auf der Durchreise ist, kann mit Großvater Tho geführte Touren zu Wasserfällen und Dörfern der Umgebung unternehmen. Mein Lieblingswasserfall heißt Thac Chan und ist mit einer kleinen Wanderung zu erreichen. Tho kennt einen durch kurzes Klettern zu erreichenden versteckten Platz etwas weiter oben am Wasserfall, wo man wunderbar schwimmen kann. Von Großmutter Cong kann man bei Interesse viel über das Arbeiten auf der Farm und das Kochen der traditionellen Rezepte erfahren. Das Essen hier zählt zum besten, das ich in Vietnam gegessen habe, die Zutaten in Bioqualität sind alle frisch aus dem eigenen Garten oder von Leuten aus dem Dorf.
Ich freue mich über jeden Gast, der den Weg hierher findet und das nicht, weil ich jetzt zeitweise mitverantwortlich bin, sondern vor allem, weil ich Trung für seine Vision hinter dem Homestay bewundere. Viele der jungen Tay aus dem Dorf verlassen die Region, um in den Städten bessere Perspektiven zu finden. Dadurch verschwindet jedoch nach und nach die eigene Sprache und Kultur der Tay, viele Traditionen geraten bereits jetzt in Vergessenheit. Trung hat vor zwei Jahren zum ersten Mal sein Dorf verlassen, um in Ha Giang englisch zu lernen. Er hätte dort anschließend einen Job haben können, entschied sich aber, nach Na Rang zurückzukehren und dem Wandel etwas entgegenzusetzen. Er hofft, mit dem Homestay etwas zum Erhalt der Kultur seiner Minderheit beitragen zu können, ohne diese jedoch durch den Tourismus zu sehr zu beeinflussen. Es geht ihm um einen beidseitigen Austausch, Teilhaben und Horizonterweiterung.
Für mich ist es sehr beeindruckend, einen so unverfälschten Einblick in das Leben hier zu bekommen. In den vergangenen Tagen wurde ein großes Fest zu Ehren der Ahnen gefeiert, ich konnte traditionellen Gesang hören, die traditionelle Tay-Kleidung sehen und viele leckere Festtagsgerichte probieren.
Natürlich ist nicht alles positiv, zu meiner Zeit hier gehören auch Momente der Einsamkeit, kritisches Nachdenken über Globalisierung und unzählige Krabbeltiere. Trotzdem sind die zwei Wochen hier in meinem persönlichen Paradies schon jetzt wertvolle Erinnerungen und ich hoffe, dass noch einige Reisende nach mir diese Erfahrung machen können.
Hier liegt das Dorf Na Rang:
Tho’s Homestay erreichst du am besten über die offizielle Facebook-Seite.
Hallo, toller Artikel!
Es muss ein tolles Erlebnis sein, dort zu arbeiten! Was macht man dort den ganzen Tag so? Muss man etwas zahlen für die Arbeit als Volunteer oder die Unterkunft?
Gibt es noch andere solche Angebote?
LG Nadine
Hallo Nadine!
Vielen Dank für deinen Kommentar, es war wirklich eine tolle Erfahrung! Ich habe jeden Tag ca. zwei Stunden damit verbracht, mich um die Social-Media-Kanäle (Facebook, Instagram…) des Homestays zu kümmern und z.B. Blogeinträge wie diesen hier zu schreiben.
Den Rest der Zeit hatte ich zur freien Verfügung, ich habe viele Spaziergänge gemacht, der Großmutter auf dem Feld oder beim Kochen geholfen oder Ausflüge mit Übernachtungsgästen im Homestay gemacht.
Da das Homestay noch relativ am Anfang steht und sich meine Arbeitszeit sehr in Grenzen hielt, habe ich einen freiwilligen Unterstützungsbeitrag von fünf Dollar pro Tag für Unterkunft und drei Mahlzeiten bezahlt. Das kann man aber individuell mit Trung besprechen. Auf der Seite workaway.info gibt es viele weitere Volunteering-Angebote auf der ganzen Welt und dort gilt generell, dass du für fünf Stunden Arbeit pro Tag (an fünf Tagen die Woche) Unterkunft und Verpflegung umsonst bekommst.
Liebe Grüße
Katharina
Hallo Katharina
Herzlichen Dank für deine rasche Antwort! Dann werde ich Mal schauen, wo mich meine Reise in Vietnam hin führen wird und werde Tho’s Homestay auf jeden Fall als Möglichkeit im Auge behalten :-)
Liebe Grüsse Nadine
Ich bin zufällig auf deinen Eintrag gestoßen und da ich einen kurzen Trip nach Vietnam im Visier habe, gefällt mir dieses Hostel. Die Facebookseite ist ziemlich kryptisch, wie kann ich Kontakt aufnehmen und wie komme ich zu dem Ort. Mit Bus oder auch von Hanoi aus mit einem Scooter? Leider beherrsche ich nicht die Sprache und muss mich auf mein Englisch verlassen…
Gruß, Klaus
Hallo Klaus, am besten sendest du der Unterkunft auf Facebook eine Nachricht. Die Betreiber verstehen auch Englisch.
Sieht nach einer unberührten Landschaft aus. Sehr schöne Aufnahmen und eine tolle Erfahrung die du hier teilst. Vielen Dank aus der Schenna Unterkünfte
Hört sich nach einem schönen Erlebnis, viel Ruhe und Erholung an :-) Wie ist denn dort so das Internet, wenn du Social Media gemacht hast?
Liebe Grüße
Nadja
Liebe Nadja,
der Internetempfang dort war sehr gut. Es gab in der Zeit nur zwei Mal einen Stromausfall, da war es natürlich weg, aber ansonsten hatte ich keine Probleme.
Liebe Grüße
Katharina
Liebe Katharina,
Wow, das denk man immer gar nicht. Ich habe manchmal nicht mal mitten in der Stadt eine gute Verbindung, Deutschland muss da noch einiges nach holen!
Liebe Grüße
Nadja
Hallo Katharina,
weißt Du wie das Klima im Dezember ist? Sehr kalt und bewölkt? Vielleicht kannst Du uns noch verraten wie man besten nach Na Rang kommt?
Viele Grüße
Sonja
Hallo Katharina,
ich bin derzeit auch wegen eines Vietnam Urlaubes am recherchieren. Wenn ich eine Rundreise machen wollen würde, von Süd nach Nord, also Ho-Chi-Minh Stadt nach Hanoi. Empfiehlst Du da eher den Bus oder den Roller? Und was würde so ein Roller kosten? Mit dem Bus sollte ich mit 100 € locker hinkommen, oder?