Dies ist ein Gastbeitrag von Kaja Falkenhain.
Nach drei Wochen in Nepal kann ich inzwischen trotz des chaotischen Verkehrs allein die Straße überqueren, ohne mich in Lebensgefahr zu begeben, mich an lokalen Straßenständen problemlos und zu einheimischen Preisen mit Nahrung versorgen, in den richtigen Minibus ein- und aus diesem mit relativ hoher Treffsicherheit auch am richtigen Ort wieder aussteigen, traue mich durchaus häufiger, Fotos zu schießen und habe ein grobes Straßennetz von Kathmandu im Kopf, welches mir ungemein bei der Orientierung hilft; kurz: Mein Herzschlag hat sich dem Kathmandus angepasst.
Im Folgenden möchte ich dir nun 11 Dinge vorstellen, die sich mir – trotz der äußerlich aufgrund der unterschiedlichen Abstammung und Volksstammzugehörigkeit so unterschiedlichen Erscheinungen der Nepalesen in Körperbau, Hautfarbe und Gesichtsform – als typisch nepalesisch herauskristallisiert haben.
1) Begrüßung
Trotzdem alle Nepalesen des Wortes „Hello“ mächtig sind und meist auch das westliche Kopfnicken oder Handheben als Zeichen der Begrüßung anerkennen, ist die übliche (und höfliche) Begrüßung nach wie vor „Namaste“ (übersetzt: Ich grüße das Göttliche in dir), verbunden mit sich wie im Gebet an den Fingerspitzen berührenden, vor der Brust gehaltenen Händen.
2) Straßenstände
Das Leben in Nepal spielt sich hauptsächlich an Straßenständen ab. Sie sind sowohl Ort des (Ver-) Kaufens als auch der Nahrungsaufnahme und geselligen Zusammenkunft. Von lebendigen und toten Hühnern über feldfrisches Gemüse und Obst zu Süßigkeiten und Streetfood finden sich alle Güter des täglichen Lebens am Rande der Straße. Neben den meist mobilen Ein-Mann-Straßenständen, die tagein, tagaus von morgens bis abends durch die Straßen ziehen, gibt es zudem alle paar Meter stationäre Kioskläden, an denen nicht verderbliche Lebensmittel (Kekse, Chips/Cracker, Bonbons, Getränke etc.) verkauft werden und die den Familien in vielen Fällen gleichzeitig, durch einen Vorhang abgetrennt, als Wohnung zu dienen scheinen. Über das Streetfood in Nepal findest du hier weitere Informationen und Eindrücke.
3) Tiere auf den Straßen
Neben meist verkäuflichen Hühnern sind die Straßen dicht von Hunden und Kühen bevölkert. Hunde – in allen Farben und Größen, herrenlos, krank, stark, dick, gesund, klein, abgemagert und tot – streunen umher und liegen auf den Stufen vor Häusern und Läden. Ihr Gebell ist ein stetiger Begleiter in dieser Stadt.
Auch die Kühe bahnen sich ihren Weg durch die Straßen – und wenn eine Kuh sich in der Mitte einer Hauptverkehrsstraße zur Ruhe legen möchte, dann wird das respektiert; denn Kühe sind im Hinduismus heilig. Eine Kuh zu töten zieht eine Gefängnisstrafe nach sich – und statt Kuhfleisch wird hier Büffelfleisch verwendet.
4) Berge
Als das höchstgelegene Land der Welt sind die schneebdeckten Bergspitzen charakteristisch für Nepal, dessen Tourismus sich hauptsächlich auf diesen gründete – dennoch findet sich nicht nur das Himalayagebirge hier, sondern auch Berge von Müll!
Das Umweltbewusstsein der Nepalesen ist schwach ausgeprägt, die Plastikabfälle werden meist einfach vor die Haustür auf die Straße geworfen (wenn auch gleichzeitig emsig mit den kleinen, „broom-broom“ genannten Naturbesen der Hauseingang im ewigen Kampf gegen Staub und Dreck der Stadt gefegt wird), die Flüsse schwemmen den Unrat an die Ufer und unter einigen Brücken sind richtige Müllhalden zu finden, die meilenweit übelsten Gestank verbreiten.
Hinzu kommt das Problem der Umweltverschmutzung durch den Trekking-Tourismus in den (echten) Bergen; vor allem durch Mengen von leeren Plastikwasserflaschen (als häufig einzige Trinkwassermöglichkeit) gekennzeichnet. Ein Bericht über mein eigenes Trekkingerlebnis.
5) Kein Klopapier
Nicht nur für Nepal, sondern für den gesamten ostasiatischen Raum (und selbst am Flughafen in Dubai) typisch: Die Toiletten bestehen aus einem Loch in dem Boden, neben dem ein Eimer mit Wasser steht. Klopapier wird als unhygienisch erachtet – ebenso die linke Hand, die zum Reinigen nach dem Toilettengang verwendet wird. Inzwischen findet man häufig auch westliche Toilettensitze mit einem daneben angebrachten Wasserschlauch, was die Prozedur durchaus vereinfacht und sogar recht angenehm gestaltet. Bleibt nur das Problem mit der anschließend nassen Unterhose.
6) Zeitrechnung
Auf den Straßen Pokharas an einer veralteten Reklame mit der Aufschrift „Happy New Year 2071!“ vorbeilaufend, wandte sich meine Aufmerksamkeit dem Kalendersystem Nepals zu. Es gibt hier verschiedene dieser Systeme, abgewandelt je nach Religion und Volksstamm.
Die gängigste Zeitrechnung (nach Hindu-Tradition) ist „Vikram Sambat (V.S.)“, welche ab dem Jahre 57 v. Chr. zählt – danach befinden wir uns momentan im Jahre 2072. Der Kalender ist nach dem König Vikramaditya Samvat benannt und richtet sich nach den Mondphasen – Neujahr wird dabei Mitte April gefeiert. Das Jahr hat ebenfalls 12, mit den unseren jedoch nicht deckungsgleiche Monate, und die Woche ebenfalls sieben Tage, die nach Planeten benannt sind.
7) Dal-Bhat
Das Nationalgericht Nepals, bestehend aus ungewürztem Reis und seperat servierten Linsen, die zum Essen über den Reis gegossen werden. Dazu gibt es meist Currygemüse (Kartoffeln, Kohl, Zwiebeln…) und manchmal auch ein scharfes Chutney (Achar) sowie Papad – ein dünner, frittierter Fladen aus Linsenmehl. In seltenen Fällen, bzw. zu Festtagen wird Fleisch dazu gereicht; allerdings ist das Fleisch (meist Hühnchen) mit Vorsicht zu genießen: Du wirst immer einige Knochenstücke und -splitter darin finden.
Viele Nepalesen essen Dal-Bhat auch heutzutage noch zweimal täglich (und zwar mit den Fingern); einmal am Vormittag und einmal am späten Abend – dazwischen gibt es meist einen Snack, z.B. Momo. Das Besondere an Dal-Bhat, wenn man es im Restaurant oder in der Trekkinglodge bestellt oder das Glück hat, bei einer Familie zu Gast zu sein: Es gibt mehrfachen Nachschlag an Reis und Beilagen – ohne Zuzahlung!
8) Auf-die-Straße-rotzen
Egal, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt – jeder spuckt auf die Straße. Und es ist kein leises Zähneputzwasserausspucken; der eigentlichen Tätigkeit geht ein ekelerregendes Geräusch zuvor, welches vielleicht als eine Mischung aus Erbrechen, Nasehochziehen und verschleimtem Räuspern annähernd zu beschreiben ist.
In den ersten Tagen habe ich mich jedes Mal erschrocken in der durch Playstationspiele meines Vaters geschädigten Erwartung, einen Zombie auf mich zukriechen zu sehen oder zumindest in das Angesicht eines Todkranken zu blicken, umgedreht, und musste mich dennoch stets mit den Anblick eines „ganz normalen Nepalesen“ zufriedengeben.
9) Nepali-Tee
Der nepalesische Tee, den es sowohl morgens zum Frühstück, als auch zum Nachmittagstee oder als Abendtrunk gibt, ist das erste und bisher einzige Getränk, welches ich neben stillem Wasser toleriere und tatsächlich (zumindest für die Dauer meines Aufenthaltes hier) sehr gern trinke.
Bestehend aus schwarzem Tee, Wasser, Milch, Zucker und vielen Gewürzen (darunter Ingwer, Zimt, Kardamom und Nelke) ist er erfrischend würzig und angenehm süß – und kochend heiß; was dazu führt, dass meine Zungenspitze stets ein wenig verbrannt ist.
10) Farbenfreude
Die traditionelle Kleidung ist bunt, die Häuser und Tempel sind es, die Müllansammlungen ebenfalls – die Kioskläden gleichen einer Farbpalette, die Straßenstände leuchten weithin durch den Dunst der Stadt, die Minibusse sind mit Lackfarben angepinselt, die bunten Wimpel flattern vor dem trüben Himmel und selbst die Geldscheine weisen (wenn auch verblasste) Farben von rot, orange und blau auf. Nepal strotzt vor Farben!
11) Händchenhaltende Männer
Überall in den Gassen findest du junge und alte Männer, die Händchen halten, in Umarmung die Straße überqueren oder anderweitig vertrauten Körperkontakt halten. Die automatische Assoziation einer ausgeprägten Schwulenszene trifft dennoch nicht zu; in Nepal ist dies lediglich Zeichen einer guten Freundschaft und wird als Selbstverständlichkeit hingenommen, während ein intimer Körperkontakt zwischen Mann und Frau dagegen ein gesellschaftliches Tabu darstellt und in der Öffentlichkeit nicht gezeigt wird.
NEPAL – Never End Peace And Love :-)
Vielen Dank an Kaja für diesen Einblick in die Eigenheiten Nepals! Möchtest du mehr über Nepal und Kajas Reisen lesen, schau auf ihrem Blog vorbei.
Das Dhal Bat liebe ich…Super nett geschrieben.
Nächstes Jahr sind wir auch wieder dort.
Erinnert mich immer an Farcry4 ;)
Lieben Gruß
Hey. Danke für deinen Kommentar :-)
Ja, Dal Bhat ist großartig. Ich finde, man spürt förmlich die Natürlichkeit und Energie, die das Gericht liefert… Viel Spaß im nächsten Jahr! Ich „befürchte“, ich muss auch nochmal dorthin zurückkehren. Habe das Land sehr ins Herz geschlossen.
Lieben Gruß!
P.S.: Die Erinnerung an Far Cry kann ich gut nachvollziehen – auch da bin ich von meinem Vater geschädigt… ;-)
Ein toller Beitrag auf dem Reiseblog hier! Ich musste das eine oder andere Mal grinsen. Ich war in diesem Jahr kurz nach dem Erdbeben in Nepal. Es gab zu dieser Zeit auch immer wieder Nachbeben und man spürte die tiefe Angst, die in den Menschen steckt. Es war toll zu sehen, mit welcher Würde und welchem Elan die Menschen dort ihr Leben meistern.
Wir kamen gerade aus Bhutan und sind mit dem Flugzeug am Mount Everest vorbeigeflogen – das war in jedem Fall eine wirklich tolle Sache!
Hallihallo.
Danke für deine positiven Worte! „Würde und Elan“, das sind zwei Wörter, die die Menschen in Nepal gut beschreiben, in der Tat.
Bhutan steht auch noch auf meiner Reiseliste – das muss sehr beeindruckend und noch einmal ganz anders sein. Und so ein Flug vorbei am Mount Everest… Wow. Ich habe schon viele Bilder und Filme von den Eisriesen gesehen, aber als ich das erste Mal einen Blick auf die schneebedeckten Gipfel werfen durfte, habe ich mir einen Stuhl genommen und den ganzen Nachmittag nur geschaut. Es ist atemberaubend.
Liebe Grüße!
Oh je, Nepal. Jedes Mal, wenn ich diesen Namen lese, klopf mein Herz schneller. Dieses Land steht ganz oben auf meiner Wunschliste. Hoffentlich kann ich diesen Wunsch im nächsten Jahr endlich realisieren.
Danke, für den schönen Artikel.
Liebe Grüße, Nicki
Ja, Nepal. Verrückt, welch Magie es auf viele Menschen ausübt – und zu Recht, wie ich finde. Das Land hat viel mehr positive Aufmerksamkeit verdient!
Ich drücke dir die Daumen, dass deine Reise dorthin im nächsten Jahr etwas wird und dass dann die politische Situation dort etwas stabiler ist.
Liebe Weihnachtsgrüße (inzwischen aus Neuseeland)!